Bitte keine Blumen, wir wollen Respekt

Allgemein, Frauen, Gesellschaft, kinder

Meine Oma backte Kuchen, nähte Kleider, schnitt Haare, klebte Pflaster auf blutende Knie, hörte sich die Sorgen pubertärer Enkelkinder und erwachsener Kinder, bezog Betten, bügelte, und die Liste könnte ewig weitergehen. Einmal fragte ich sie „Nonna, hast du in deinem Leben auch mal etwas für dich gemacht, nur für dich?“ Ihre Antwort: „Ich war immer für meine Familie da. Ich hatte keine Zeit für mich, aber es ist in Ordnung. Hauptsache, meiner Familie ging es gut.“

Meine Oma ist 1932 geboren. Wie viele Frauen ihrer Generation durfte sie weder nach der 8. Klasse zur Schule gehen noch einen Beruf lernen. Inzwischen sind wir viel weiter. Frauen studieren, gründen Unternehmen und mischen in der Politik mit. Der Staat bemüht sich um eine Kinderbetreuung, damit Eltern Beruf und Familie vereinen können.

Eigentlich macht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern ziemlich viel für Familien. Wir haben Kitas mit langen Öffnungszeiten, großzügige Elterngeldregelungen und viele aufgeklärte Väter und Arbeitgeber. Klar, die Rabenmutterfraktion („Wie kannst du dein Kind fremdbetreuen lassen?“) gibt es nach wie vor. Aber ich hatte das Gefühl, dass die deutsche Gesellschaft im Sinne der Gleichberechtigung auf einem guten Weg sei.

Dann kam Corona. Um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten und die Kurve abzuflachen, musste das öffentliche Leben stillstehen. Das war wichtig und richtig. Jetzt haben wir jedoch geschafft, die Verbreitung der Pandemie zu verlangsamen. Geschäfte, Hotels und gastronomische Einrichtungen öffnen langsam wieder. Nur die Kinder sitzen weiter zu Hause, oder haben eine Stunde Schule am Tag. (Oder wie bei meinem mittleren Sohn, 3 Tage Schule in 5 Wochen). Eltern versuchen weiter, zwischen Fibel lesen, Ball spielen und Chemieaufgaben ein paar Minuten für die Arbeit zu finden. Und Geld zu erwirtschaften, um Miete und Lebensmittel zu zahlen.

Verständnis ernten sie nicht immer, vor allem Mütter. Ein gängiger Vorwurf lautet, sie seien eh verwöhnt und würden nur jammern. Es sei schließlich ihre verdammte Pflicht, sich um die Kinder zu kümmern, oder warum haben sie sie auf die Welt gesetzt? Nur um sie in die Schule/Kita „abzuschieben“? So lange ein klitzekleines Risiko besteht, wird es keinen normalen Unterricht und Kitabetrieb geben. Mütter klagen über Burn Out? Sie sollen sich nicht anstellen. Sie haben schließlich die Blagen gewollt.

Ich schlage mich tatsächlich mit drei Kindern durch. Es geht. Auch wenn meine Arbeitszeiten sich Richtung Nacht verschoben haben. Irgendwie geht es immer. Ich mache mir jedoch Sorgen um meine Kinder. Um ihre Bildung. Denn ich bin keine Lehrerin und kann auch keine Lehrer ersetzen. Dann verbringe ich den ganzen Tag zwischen Mathe und Chemie (Gymnasium, 8. Klasse), Leseübungen (1. Klasse), Peppa-Buch lesen (das kleine Kind, 3 Jahre alt), koche schnell Nudeln, schreibe zwischendurch ein paar Zeilen und habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht mal die Hälfte von dem geschafft habe, was ich schaffen wollte. Und die Hausaufgaben sind auch nur zur Hälfte gemacht.

Und hier zurück zum Mutterbild meiner Oma. Erstaunlich viele Menschen denken immer noch, Mütter seien Wesen ohne Bedürfnisse, die gefälligst ihren Mund zu halten haben. Und das spürt man momentan sehr. Beruf? Selber schuld. Hätten sie sich nur einen reichen Mann geangelt, der sie ernährt. Freizeit, Sport, Freunde? Verwöhnte Tussis. Schließlich haben Millionen Frauen jahrhundertelang zwischen Herd und Kinderzimmer gelebt. Genießt doch die Zeit mit euren Kindern, undankbare Weiber! (Auch wenn ihr nicht wisst, wie ihr die nächste Miete zahlen solltet.) Alleinerziehend? Ohnehin selber schuld, warum habt ihr euch getrennt?

Die Mütter am Muttertag zu ehren ist an sich eine feine Sache (genauso wie die Väter am Vatertag zu ehren). Jedoch hören sich die Lobeshymnen für mich momentan so „Liebe Mütter, eure Bedürfnisse und die eurer Kinder sind einfach zweitrangig. Wir versuchen, alternative Konzepte mit ganz vielen englischen Begriffen zu erfinden, damit ihr denkt, wir haben wirklich eine Lösung für euch. Haben wir aber nicht. Eure Kinder, eure Probleme. Aber nehmt die Blumen und…wir finden euch ganz toll! Weiter so!“

Ganz ehrlich? Blumen brauchen wir nicht. Wir brauchen Respekt. Für uns und für unsere Kinder.